Im
Rahmen der Stadterweiterung nach Westen - im Zusammenhang mit dem
Aufschwung der Wormser Lederindustrie - entstand auch der Wunsch nach
einer Kirche am Karlsplatz, die zusammen mit dem Wasserturm und der
Eleonorenschule eine markante Triade bilden sollte.
Mit dem Bau, der in
den Jahren 1910 bis 1912 erfolgte, wurde der Darmstädter Architekt
Friedrich Pützer (1871 - 1922)
beauftragt, der sich verpflichtet sah, mit dem neuen Bau dem Charakter
der alten Reichsstadt stilistisch gerecht zu werden.
Die
Kirche sollte „ein schlichtes, festes, ernstes Gepräge haben“ und den
Bezug zu den alten Kirchen des Stadtkerns erkennen lassen - mit
roten Sandsteinquadern
zum Dom und mit einer aufgemauerten Turmkuppel
zur Pauluskirche. Darüber hinaus empfahl sich eine Anknüpfung an
Luthers Lied „Eine feste Burg ist unser Gott“,
der eine trotzige Säulenreihe vor dem Haupteingang in Verbindung mit
dem wehrhaft wirkenden Turm deutlichen Ausdruck verleiht. Im Ganzen
folgt der Bau dem Darmstädter Jugendstil mit sparsamer Ornamentik an
den Außenseiten. Mehrfach erscheint als durchgängiges Kennzeichen der
Kirche die achteckige Lutherrose.
Die Innenraumgestaltung folgt dem „Wiesbadener Programm“
von 1891, das für protestantische Kirchen das Gepräge eines
Versammlungshauses für die Gemeinde fordert. Es gibt keine Trennung von
Schiff und Chor. Im Blickpunkt liegt der Altar, der als Kanzelaltar
beide Verkündigungsstätten einschließt. Pützer verband diesen
Kanzelaltar mit der darüber liegenden Orgel und der Sängerbühne zu
einer optischen Einheit, die auch dem Zusammenspiel
der gottesdienstlichen Akte entspricht. Die gestufte Empore an den
Seiten und über dem Eingang rundet den Raum nach oben ab. Darüber wölbt
sich in Tonnenform eine stuckierte Decke mit geometrischen Ornamenten.
Dem
Kirchenraum ist ein abgetrennter Teil vorgelagert, der als Taufkapelle
gedacht war: die Taufe in liturgischer Symbolik als Eingangsstufe zur
Aufnahme in die Christengemeinde. Der von einer Balustrade eingesäumte
Freiraum vor den Portalsäulen sollte vor oder nach dem Gottesdienst den
Besuchern zum Gedankenaustausch Gelegenheit geben. -
Die vier Pfeiler trugen Statuen der vier Evangelisten
mit bewegter Gestik, die
Augusto Varnesi
eigens
für die Lutherkirche geschaffen hatte. Dem liberalen Denken der Zeit
entsprechend fehlte ein Kruzifixus: Die Verkündigungsworte Christi
wurden von den Evangelisten vermittelt, die im Kirchenraum präsent
waren.
Heute stehen die Skulpturen auf der Empore über dem
Eingang.
An der Einzelausstattung waren weitere Künstler
beteiligt:
Der Darmstädter Goldschmied
Ernst Riegel
schuf das mit Amethysten besetzte Altarkreuz, das Altargitter, das
Taufbecken mit Taube und Hängeleuchter, das Abendmahlsgeschirr sowie
das Antependium mit der Lutherrose.
Von Ludwig
Habich stammt
das Bronzerelief über der Tür zum Turm.
Bei
der Renovierung in den Jahren 1962/63 wurden an der Westwand einige
Veränderungen vorgenommen, die dem inzwischen abgewandelten religiösen
Denken folgten und dabei das ursprüngliche Konzept Pützers
beeinträchtigten: Die Evangelistenfiguren wurden durch reliefierte
Quader ersetzt. Die neu installierte Christusfigur schuf der
Darmstädter Künstler Fritz Schwarzbeck.
Durch
einen kleinen Zwischenhof ist das Kirchengebäude mit dem Pfarrhaus zu
einem Ensemble verbunden. Diesen Gedanken einer komplexen Gestaltung
verwirklichte Pützer auch an anderen Orten.
(Text: Carola und Erwin Martin)
Innerhalb
des Dekanats Worms war die Luthergemeinde
ein
Zentrum für die Bekennende Kirche, der sie sich 1934 angeschlossen
hatte. Ihr Pfarrer August Eckhard wurde inhaftiert und starb in
einem Lager, Pfarrvikar Heinrich Uhrhan wurde vertrieben und Vikar
Heinrich Schäddel nach einer kritischen Bemerkung zur Reichspogromnacht
verprügelt.
An
die Brüder und Schwestern der Bekennenden Kirche erinnert seit 2015
eine kupferne Gedenktafel an der Außenseite. Ihre Inschrift:
JESUS CHRISTUS GESTERN UND HEUTE UND
DERSELBE AUCH IN EWIGKEIT.
Vor
dem Hintergrund des nationalsozialistischen Terrors war die
Luthergemeinde mit ihrem Pfarrer August Eckhard ein Zentrum der
Bekennenden Kirche in Worms. 1937
predigten an dieser Stätte kurz nacheinander Bischof Theophil Wurm,
Generalsuperintendent Otto Dibelius und Pfarrer Martin Niemöller. Die
oppositionellen evangelischen Christen widersetzten sich der Verfolgung
ihrer Mitglieder aus Glaubensgründen, der Verfälschung der christlichen
Botschaft und der Vereinnahmung der Kirche durch den totalitären Staat.
DAS WIDERSTEHEN, ABER AUCH DAS VERSAGEN
DER BRÜDER UND SCHWESTERN VON DAMALS SIND UNS MAHNUNG UND VERPFLICHTUNG
FÜR HEUTE.
Luthergemeinde Worms, den 25.09.2015
Weitere Links:
Sitzplan
Kirchenschiff
Sitzplan Empore 1
Sitzplan Empore 2
zum
Wikipedia-Artikel "Lutherkirche Worms"
zum
Wikipedia-Artikel "Friedrich Pützer"
Glockengeläut der Lutherkirche (Video)
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